Christian Hilz

Über das Verhältnis von Text und Klang

Einige Gedanken zur Interpretation von Mahlers Rückert-Liedern erschienen im Band „Lyrik aus erster Hand“ Mahler und Rückert im Verlag Königshauses und Neumann.

Vortrag zum Symposion über Mahlers Rückert Lieder an der Universität Zürich
Veröffentlicht im Verlag Königshausen und Neumann im Band „Lyrik aus erster Hand“ Mahler und Rückert.

Spricht man über musikalische Interpretation, so beinhaltet das einen großen Anteil persönlicher Meinung, Erfahrung und Geschmack. Schauen wir als Interpreten doch durch unsere ganz eigene Brille auf alle Art von Information über ein Musikstück, die uns zur Verfügung steht. Nicht nur die Gewichtung und Umsetzung dieser Informationen, vor allem das Entstehen einer Interpretation selbst ist ein höchst individueller Vorgang, der sich nur bedingt verallgemeinern lässt. So kann dieser Artikel nur ein Erfahrungsbericht auf der Basis des eigenen Umgang mit Mahlers Musik und der Arbeit mit Studierenden sein.

Text – Musik

Gesangsliteratur stellt innerhalb der Musik einen Sonderfall dar, weil es sich bei der Vokalmusik im Gegensatz zu sogenannter absoluter Musik bereits um eine Interpretation handelt, nämlich die Interpretation eines in der Regel bereits vorliegenden Textes. Sieht man einmal von vorbarocken und barocken Parodien ab, bei denen ein neuer Text auf eine bestehende Musik – und unter Umständen in einen ganz neuen Kontext – gesetzt wird, vertont ein Komponist einen bestehenden Text. Also „prima le parole e poi la musica“, in Richtigstellung der wunderbaren Farce von Salieri, der mit seiner opera buffa übrigens einen Text von Giovanni Battista Casti vertonte. Besonders interessant wird die Konstellation, wenn es sich nicht um die Vertonung eines für die Komposition geschriebenen Textes handelt, beispielsweise eines Opernlibrettos, sondern um eigenständige Lyrik. Ein Komponist begegnet einem eigenständigen Kunstwerk, einem Gedicht beispielsweise, das ihn anspricht, das Bilder, Assoziationen und Klänge in ihm weckt. Er vertieft sich in das Gedicht und vertont es. Als Sänger ist man nun Interpret dieser Interpretation, transportiert die neu geschaffene Verbindung von Text und Musik und hat damit die Aufgabe, sowohl ein interpretierendes Verständnis für die Textvorlage als auch für die musikalische Umsetzung zu entwickeln.

Gustav Mahler hat sehr prägnant seine Anforderungen an den Sänger formuliert: „Der intelligente Sänger gestaltet, bringt den Ton vom Wort aus und gibt ihm dadurch Inhalt und Seele, die sich jedem mitteilt. Der unintelligente Sänger bringt die Töne ohne Artikulation, trägt sie nur klanglich vor, ohne Gedanken an den Text und ohne Verhältnis und Verständnis dafür, indem er ihn wie etwas nur äußerlich und zufällig damit Verbundenes, ohne Gewicht und Bedeutung, der Melodie unterlegt, daß auch dem Hörer weder äußerlich noch innerlich Wort und Vorgang verständlich wird und ihm kein Interesse dafür eingehen kann. So einer wäre vielleicht ein guter Geiger geworden, kann aber nie ein ordentlicher Sänger und Darsteller sein.“

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